Montag, 6. Juli 2020

Urlaub, Tag 3: Gegenwind

Heute zittere ich beim Losfahren: Lebhafter Westwind ist angekündigt, in Verbindung mit meiner Fahrtrichtung West-Nordwest eher nicht das, was ich mir für eine 120 km Etappe gewünscht hätte. Aber mir bleibt keine andere Wahl, als trotzdem loszufahren, und so fahre ich trotzdem los und harre der Dinge, die da kommen bzw. wehen. Heute bin ich sogar noch früher dran als gestern und nehme mir vor, die Strecke in aller Ruhe anzugehen.

Am Ende des Tages bin ich dann aber leider doch ganz schön unzufrieden mit mir. Kurz gesagt: ich habe kapituliert. Der Wind war einfach zu stark und ich merke schon auf den ersten 10 Kilometern, dass dagegen anzukämpfen und mit im Schnitt 15 km/h an der Elbe entlang eiern, mir keinen Spaß macht. Also muss eine Alternative her und die Suche danach gestaltet sich gar nicht so einfach. Via Telegram vergebe ich einen Rechercheauftrag an Mama, um selbst in die Pedale treten und zumindest etwas vorankommen zu können. Doch das Fazit ist ernüchternd. Irgendwo ein Stück mit dem Zug zu fahren, um den Weg zur gebuchten Unterkunft abzukürzen, ist keine Option. Eine geeignete Bahnlinie befindet sich nicht in der Nähe. Also bleibt nur weiterfahren und notfalls ein früheres Etappenziel mit Übernachtungsmöglichkeit wählen.

Viel mehr habe ich dann auch nicht zu berichten. Ich versuche nicht ganz die Moral zu verlieren, sehe drei Rehe, dutzende Greifvögel, hunderte Schafe, komme einem Storch ganz nah und kämpfe mich Meter für Meter voran. In Wittenberge mache ich eine Pause, die das Wort Pause nicht verdient hat, da es anfängt zu regnen und ich unter einem notdürftigen Unterstand gegenüber vom Marktplatz zu frieren beginne, im Stehen nur schnell ein Brötchen esse und als der Regenschauer vorbei gezogen ist weiterfahre, bevor mich der nächste ereilt.



Weitere Pausen mache ich nicht, muss allerdings oft genug anhalten, die Wind- gegen die Regenjacke tauschen, die Regenhose an- und kurz später wieder ausziehen oder einfach meinem Wetterfrust frönen und tief durchatmen, bevor es weitergeht. Ich habe mir vorgenommen, 80 km bis Dömitz zu fahren und weiß, dass ich dort sicher eine Unterkunft finden werde – notfalls das 3 Sterne Hotelzimmer für 150 € die Nacht. So tief muss ich dann doch nicht in die Tasche greifen, in der Radlerpension bekomme ich ein günstiges und wirklich gemütliches Einzelzimmer. Dabei erklärt mir die Herbergsmutter am Telefon zunächst, sie könne mir nur noch ein Doppelzimmer anbieten. Als ich 10 Minuten später vor der Pension stehe, erfahre ich, sie habe das Zimmer vor 5 Minuten an eine andere Person vermietet, aber ich würde sicher bei der Pension gegenüber noch etwas bekommen. Und als ich mich freundlich und verständnisvoll verabschiede und auf dem Absatz kehrtmache, bietet sie mir erst doch noch ein anderes Doppelzimmer an und führt mich letztlich in ebendieses Einzelzimmer, das dann plötzlich doch frei zu sein scheint. Die spontan überlegt und etwas willkürlich wirkende Zimmer-Vergabe-Politik verstehe ich nicht im geringsten, bin aber froh und dankbar, nehme eine Dusche und bummel dann noch einmal durch den beschaulichen Ort und seine sanften Sommerregenschauer.



Die Regenschauer bestärken mich darin, dass es sinnvoll war, nicht weitergefahren zu sein. Aber ärgern tue ich mich trotzdem. Auf meinen früheren Touren waren 110-120 km der Standard – auf dieser Tour genügen mir 80-90 km am Tag, was nicht daran liegt, dass ich körperlich erschöpft bin. Vielmehr stelle ich die letzten Tage fest, dass ich einfach nicht mehr so viel Lust auf diese „echten“ Tagestouren habe und es mir gerade mehr liegt, den Nachmittag und Abend Zeit zu haben, die Zielorte noch zu Fuß zu erkunden. Das fühlt sich ein bisschen nach Niederlage an, aber rein rational gesehen ist es doch nur eine wertvolle Erkenntnis, denke ich mir. Morgen, so hoffe ich, wird es etwas windstiller sein. Dann werde ich dem Elberadweg auch frohen Mutes eine zweite Chance geben!

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