Sonntag, 9. August 2020

Es gibt solche und solche

Sonntag. Ich bin nicht anders drauf als Samstag. Es ist immer noch heiß, sogar noch etwas heißer als gestern. Die für den Nachmittag angekündigte Gewitterfront wird heute wohl doch an Berlin vorbeiziehen.

„Es gibt solche und solche“ ist so ein Standardspruch von einer Freundin, wenn es um Unterschiede zwischen Menschen geht. Es gibt diejenigen, die in diesen Tagen fröhlich am See, am Meer oder im Schwimmbad den Sommer genießen und diejenigen, die alle Jalousien herunterlassen oder Vorhänge zuziehen und Trübsal blasen. Den Fernsehbildern voll voller Badeorte zufolge stellt die erste Sorte wahrscheinlich die Mehrheit, ich zähle leider zur zweiten Sorte.

Bis in den Nachmittag hinein schlafen klappt heute nicht noch einmal und so liege ich erstmal im Bett und versuche, mich so wenig wie möglich zu bewegen. Ich bin ganz froh, dass mich heute im Laufe des Tages keine Nachrichten erreichen und ich in meiner Inaktivität nicht mit der Aktivität anderer konfrontiert bin.

Um ein Haar wäre ich also ein weiteres Mal bis zum Abend einfach liegen geblieben. Irgendwann entscheide ich dann doch, mich aufzuraffen und noch eine Runde auf dem Rennrad zu drehen. 35 Grad Außentemperatur meldet der Außentemperatursensor, aber es weht ein leichter Wind und die Fahrt auf der schattigen Straße entlang der Havel ist trotz Hitze zu ertragen.

Zurück zu Hause reicht der Energieschub sogar noch, um eine Waschmaschine anzuwerfen und zwei Telefonate zu führen, danach schwitze ich einfach noch eine Weile auf dem Sofa vor mich hin und hoffe, dass die Temperaturen in der kommenden Woche wieder etwas sinken und die Stimmung sich wieder etwas heben wird.

Samstag, 8. August 2020

Depression und Hitzewelle

 Samstag. Es ist heiß geworden. Hoch Detlef bringt eine Woche Hochsommer nach Deutschland, danach soll es abkühlen, die Medien sprechen gar schon von Frühherbst. Nach meinem Stimmungshoch am Mittwoch, kam der gefühlsmäßige Frühherbst schon zum Ende der Woche. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Ob mich diese Schwankungen mein Leben lang begleiten werden?

Ich kann gar nicht sagen, was los war oder passiert ist. Vielleicht waren es Kleinigkeiten, die mich im Laufe des Donnerstages aus der Bahn geworfen haben. Vielleicht wäre es auch ohne diese Kleinigkeiten so gekommen. Am Vormittag hielt ich als Videokonferenz eine Excel-Schulung für ein paar neue Mitarbeiter*innen. Ich mache so etwas wirklich gerne, aber in diesem Fall war es etwas ernüchternd. Ich sprach 90 Minuten gegen den Bildschirm, trotz meiner Ermunterung, mich jederzeit zu unterbrechen, um Rückfragen zu stellen, meldete sich im Laufe der Sitzung nur eine Teilnehmerin zu Wort. Auch auf meine Zwischenfragen, ob soweit alles verständlich war, erhielt ich leider keine Rückmeldungen. Den Teilnehmer*innen möchte ich das nicht zum Vorwurf machen. Aber ich vermisse die Zeit, in der wir zu Schulungen den großen Besprechungsraum gebucht, Laptops aufgebaut und für alle Kaffee gekocht haben, und in denen man die Teilnehmer*innen während der Schulung Übungen machen lassen, ihnen dabei über die Schulter schauen und ggf. unterstützen konnte. Das werde ich bis zum Ende meiner Zeit am Institut wahrscheinlich nicht mehr erleben.

Nach der Schulung mache ich draußen im Freien eine lange Nachmittagspause mit einer unseren studentischen Mitarbeiter*innen, die zum ersten Mal seit Mitte März wieder vor Ort arbeitet. Wir unterhalten uns gut und es ist schön, wieder die Möglichkeit zu direktem Kontakt zu haben. Aber auch hier bleibt ein gedämpftes Gefühl. Mir fehlen die Teamsitzungen, der Austausch, die Normalität, Struktur und Planbarkeit. Im September sollen in den Schulen wieder Aufgabenerprobungen stattfinden, normalerweise sind die Erprobungszeiträume und alle damit verbundenen Termine bis zu 2 Jahren im Voraus festgelegt. Wegen der Unsicherheit durch Corona und hinzukommender Personalwechsel konnte aktuell aber kaum etwas geplant werden und ich bin besorgt, dass dieses Versäumnis in den kommenden Wochen zum Problem wird. Zudem fühle ich mich verantwortlich, obwohl ich nicht verantwortlich bin und habe Angst, im Nachhinein verantwortlich gemacht zu werden.

Und dann ist da noch das Manuskript zur dritten Teilstudie der Dissertation. Das bald eingereicht werden soll bei einer Zeitschrift, bei der das Manuskript zur zweiten Studie abgelehnt wurde. Sorgen diesbezüglich habe ich mehrfach geäußert, aber sie finden nur wenig Gehör. Es muss diese Zeitschrift sein und es wird bestimmt alles anders laufen. Man hat ja aus den Fehlern gelernt, das Thema passt besser und überhaupt: das Manuskript ist doch schon richtig richtig super. Am Donnerstag kommt das Manuskript von einer weiteren Durchsicht der Koautor*innen zurück und in der Mail dazu steht sowas wie: „Für die [Zeitschrift] wird dann sicher (wieder) der Knackpunkt sein, ob sie die theoretischen Argumente abkaufen. Ich finde sie aber gut so und würde sie auch so lassen. Trotzdem könnte (…)“ Und trotz der auch hier enthaltenen Anmerkung, dass das Manuskript „schon sehr gelungen“ ist und der Tatsache, dass am Text selber nur wenige Änderungsvorschläge gemacht wurden, lese ich nur diese drei Sätze und denke den Rest des Tages: Wenn dieses Manuskript abgelehnt wird, hat sich das Thema Promotion für mich erledigt. Sechs Monate dauert es bei der Zeitschrift der Wahl im Schnitt bis zur Entscheidung über Annahme oder Ablehnung. In neun Monaten sollte die Dissertation im Wesentlichen fertig sein. Ein zweites Mal ein Manuskript für eine andere Zeitschrift in großen Teilen umzuschreiben und neu einzureichen, kommt da kaum in Frage. Kein Wunder also, dass bei der oben zitierten Anmerkung Panik aufkommt. Zumal mir diese auch wieder in Erinnerung ruft, dass das zweite Manuskript von der zweiten Zeitschrift, bei der wir versuchen es unterzubringen, ja auch noch nicht angenommen wurde …

Donnerstagabend bin ich schlecht drauf, Freitag widme ich mich dann den letzten Änderungsvorschlägen im Manuskript und hoffe, dass es bei der institutsinternen finalen Abnahme abgenommen wird. Und Samstag? Samstag möchte ich mal wieder nicht aufstehen. Wozu auch? Es ist heiß, mir graut es davor, nach draußen zu gehen. Ich habe nachts gut gelüftet und gegen 5 Uhr früh alles abgedunkelt, sodass es in der Wohnung immerhin unter 30 Grad bleibt. Ich bin innerlich leer und ausgelaugt, fühle mich unwohl, möchte heute nicht denken, sondern einfach nur schlafen. Ich bin vormittags wach, lasse das ZDF Kinderprogramm laufen in der Gewissheit, zwischen Michel aus Lönneberga und Pippi Langstrumpf wieder einschlafen zu werden. So kommt es dann auch.

Als ich schließlich wieder so richtig aufwache, ist es schon 15 Uhr. Ich bin einerseits froh, solange geschlafen und mich darüber von Gedankenkreisen befreit zu haben, andererseits fühle mich selbstredend schlecht angesichts meiner Inaktivität, insbesondere, wenn ich auf diversen Kanälen erfahre, was Fremde und Freunde an solchen Tagen so alles unternehmen. Eine Weile denke ich darüber nach, noch eine Runde Radzufahren oder spazieren zu gehen, aber Antrieb und Lustgefühl bleiben heute gänzlich aus. Ich verbringe also weitere Stunden mit Fernsehen, gehe schließlich noch einkaufen und setze mich am späten Abend bei etwas kühleren Temperaturen eine Stunde aufs Dach, um zu lesen, bis es dafür zu dunkel geworden ist.

Wenn das Beste am Tag ist, dass der Tag vorbei ist, kann irgendwas nicht ganz stimmen, denke ich. Aber so ist es an diesen Tagen. Ich bin froh, gegen 23 Uhr ins Bett gehen zu können, mache das Licht aus, reiße alle Fenster auf und schalte irgendein Medium ein, dass Ablenkung verspricht, über der ich einschlafen werde. Für morgen Nachmittag sind Gewitter angesagt. Mal sehen, was das für die Stimmung bedeutet…

Mittwoch, 5. August 2020

Ein Hauch Zufriedenheit

Mittwoch. Es gibt sie doch noch, die mehr oder weniger ganzheitlich erfüllten und erfüllenden Tage. Schon die Fahrt mit dem Rad ins Büro am Vormittag stimmt mich heute glücklich. Die Sonne scheint, es ist warm aber nicht zu warm, ich komme fast mühelos voran und erreiche dennoch Rekordgeschwindigkeiten. Knapp unter 40 Minuten Fahrtzeit ist so eine Schallgrenze, die ich nur an den besten Tagen durchbreche.

Am Institut ist heute richtig was los, mit mir sind ca. 15 Kolleg*innen da, es fühlt sich fast schon „normal“ an. Gegen Mittag werde ich von einer Kollegin eingeladen, mich ihr und ein paar anderen  zu einer gemeinsamen Mittagspause im Innenhof anzuschließen. Da ich gerade erst angekommen bin, ist es mir noch etwas zu früh, ich verspreche aber, in einer halben Stunde nachzukommen. Die Pause ist dann richtig nett, wir berichten uns gegenseitig von den Erfahrungen der zurückliegenden Urlaubsreisen und diskutieren und spekulieren natürlich auch über die aktuelle und zukünftige Corona-Lage.

Ich erledige wieder einiges an Projektarbeit und befasse mich dabei heute vor allem damit, die Corona-bedingten Verschiebungen an allen Ecken und Enden zu berücksichtigen und weitere Pläne für die schrittweise Rückkehr zum regulären Betrieb vorzubereiten. Danach gehe ich dazu über, das Paper fertig zu lesen, das um 17 Uhr in der Methodengruppe besprochen werden soll. Das Thema des Papers ist für eine meiner Dissertationsstudien relevant und der inhaltliche Austausch in der Gruppe ist heute absolut gewinnbringend. Im Anschluss trödel ich noch ein bisschen rum, bevor ich meine Sachen packe und mich auf dem Heimweg mache.

Heute wähle ich die Strecke durch den Tiergarten und den Ku’damm entlang. Wegen der vielen Fußgängerampeln fahre ich diesen Weg sonst nur sehr selten, aber heute habe ich Lust, noch ein bisschen Sommerabendstimmung aus der City West mit nach Hause zu nehmen. Es ist einiges los und wenn an der Ampel ein Auto mit heruntergelassenen Fenstern und lauter Musik steht, bewege ich mich – soweit auf dem Rad möglich – im Takt etwas mit und freue mich über das Lachen der Autofahrer, wenn sie mich dabei ertappen.

Auf dem zweiten, dem ruhigeren Teil der Strecke, sinniere ich über eine Frage, die wir uns zuvor in der Methodengruppe alle nicht recht beantworten konnten. Mit dem Gefühl, die Antwort doch noch erdacht zu haben, trete ich zum Ende hin etwas kräftiger in die Pedale, um den Gedanken zuhause festzuhalten und ihn durch nochmaliges Nachlesen im Paper ggf. zu verifizieren. Ich vermute, dass mir das gelungen ist, versuche, das Verfahren direkt an einem kleinen Anwendungsbeispiel zu illustrieren, und schreibe nach dem Abendessen noch eine die neue Erkenntnis erklärende Mail an die Gruppe.

Die Nachrichten, die mich über die Tagesschau und das ARD extra im Anschluss über die Explosionen und die Lage in Beirut erreichen, machen mir ein ums andere Mal klar, wie gut es mir eigentlich geht. Umso mehr bin ich heute dankbar, über einen für mich „guten“ Tag, an dessen Ende ich mit Zuversicht für den morgigen und zufrieden mit mir selbst ins Bett gehen werde.


Dienstag, 4. August 2020

Ein Tag zuhause

Dienstag. Die Tage könnten kürzer sein, denke ich mir heute. Ich muss für meine Verhältnisse früh aufstehen, von 9 Uhr 30 bis 11 Uhr 30 findet die erste von zwei Videokonferenzen des Tages statt. Ich nehme Teil in Vertretung für meinen zukünftigen Teamleiter, dessen für Anfang August geplanter Arbeitsantritt sich aufgrund von verwaltungstechnischen Verzögerungen (aka „die zuständige Stelle hat die ganze Sache verschlafen“) noch etwas verzögern wird. Die Besprechung ist inhaltlich ganz interessant und es stimmt mich positiv, dass man mich als Vertretung berücksichtigt hat. Spontan melde ich mich als mögliche Freiwillige für einen Vortag zum „operativen Tagesgeschäft“ des Arbeitsbereiches vor einer Delegation aus Slowenien und frage mich danach, warum eigentlich. Wahrscheinlich vor allem, weil ich Situationen, in denen still abgewartet wird, bis sich irgendjemand aus der Runde erbarmt, eine Zusatzaufgabe zu übernehmen, nicht besonders gut aussitzen kann. Vielleicht aber auch, weil der Vortrag auf Englisch eine Herausforderung wäre und Feedback einbringen würde, das mir (siehe gestern) derzeit fehlt.

Nach der Konferenz ist vor der Konferenz. Ich habe das Bett nicht verlassen und den Schlafanzug noch an – gemerkt hat’s trotz eingeschalteter Kamera scheinbar keiner ;) Die kleinen Vorteile der Videokonferenzen. Ich bleibe liegen und schaue vier Stunden Dokus. Mein Gefühl in solchen Momenten: Wenn ich jetzt aufstehe, ist der Tag einfach noch zu lang. Ich habe gestern viel gearbeitet, den Soll für die halbe Stelle werde ich mit zwei weiteren geplanten Arbeitstagen Mittwoch und Donnerstag mindestens erreichen. Aber abgesehen davon weiß ich nicht viel mit mir anzufangen. Um 16 Uhr 30 steht die zweite Videokonferenz an. Davor möchte ich eine Runde laufen, danach einkaufen. Bis es soweit ist, liege ich halt erstmal im Bett.

Mit der Laufrunde startet um 15 Uhr dann der Rest des Tagesprogramms. Einmal durch die Wohnung saugen, duschen, dann Konferenz N°2. Diese macht Spaß, ich wurde um Unterstützung mit einer Excel-Tabelle gebeten, so etwas mache ich gerne und lerne oft noch selbst dazu, wenn ich Fragen nicht ad hoc beantworten kann und recherchieren muss. Eineinhalb Stunden beschäftigt mich also Excel, um 18 Uhr gehe ich dann einkaufen. Nach dem Einkaufen: Kochen, Essen, ein paar Absätze in einem Paper lesen, das morgen in der „Methodengruppe“ besprochen wird, eine Rassel fertig häkeln. Brötchen backe ich zwischendrin auch noch. Im Hintergrund läuft ZDF: Der große Dr. Oetker Report (Fazit: Zu viel Zucker, gegenüber der Konkurrenz zu teuer, in Bezug auf die verarbeiteten Rohstoffe zu intransparent.), Frontal 21 (Fazit: Leute, haltet Abstand, die Fallzahlen steigen wieder. Und glaubt keinen Verschwörungstheorien, die Fallzahlen steigen wieder!) und das Heute Journal (Fazit: Fußballfans wollen wieder in Stadion, der AFD-Fraktionsvorsitzende will der Fraktion nicht mehr vorsitzen und der spanische Ex-König will ins Exil.).

Mein Fazit: Acht bis neun Stunden Tag hätten mir heute gereicht. Das im Bett bis zum Nachmittag ausharren, das zurzeit wieder zuhauf vorkommt, gibt kein gutes Gefühl. Es ist aber einfach eine gut funktionierende Strategie, den Tag einigermaßen rumzubringen. Das Nachmittags- und Abendprogramm stimmt mich zumindest zufrieden. Und morgen fahre ich wieder ins Büro.


Montag, 3. August 2020

Ein Tag im Büro

Montag. Nachdem ich das Bett die letzten drei Tage nicht vor dem Nachmittag verlassen habe, raffe ich mich heute um 10 Uhr auf und fahre ins Büro. Aufstehen, Alltag, Struktur, Routine, … Normalität? Im Büro wartet keiner auf mich. Die Punkte auf der To-Do-Liste sind selbst erdacht. Dinge, die dem Projekt irgendwann mal zugutekommen könnten. Allerdings erst, wenn ich nicht mehr daran beteiligt sein werde. Ich könnte mich in die Arbeit stürzen – ich könnte aber auch nach Hause fahren und mich wieder ins Bett liegen. Es hätte – zumindest hier und heute – keine Konsequenz.

Am Brandenburger Tor bahne ich mir den Weg mit dem Rad durch die Touristen. Sie sind wieder in der Stadt. Es waren – an so manch einem anderen trockenen Montagvormittag Anfang August bei angenehmen 20 Grad – aber auch schon deutlich mehr. Im Büro angekommen lüfte ich erstmal, koche Kaffee, gieße die Pflanzen und revidiere dabei die Meinung, es hätte niemand auf mich gewartet. Für die Pflanzen hat sich meine Fahrt ins Büro also schon mal gelohnt. Ich trage mich in die Anwesenheitsliste ein, die mir verrät, dass heute fünf weitere Kolleg*innen am Institut sind. Im Laufe des Vormittags kommen vier davon an meiner offenen Tür vorbei – wir sagen kurz Hallo und führen einen kleinen Smalltalk. Aufgrund dieser Begegnungen beschließe ich, dass sich die Fahrt auch für mich gelohnt hat. Wenngleich die Stimmung noch immer eher trüb als heiter ist.

16 Uhr. Ich bin in den Flow gekommen und habe einiges abgearbeitet. Und darüber sogar so ein kleines bisschen Befriedigung generiert. Eine unserer studentischen Mitarbeiterinnen arbeitete parallel im Homeoffice und wir gaben uns fast zeitnah übers Projektmanagement-Tool Feedback. Immerhin. Nicht ganz allein auf weiter Flur.

In einer kurzen Pause vertrete ich mir draußen die Beine, werfe einen Brief ein und hole ich mir im Supermarkt gegenüber etwas zu essen. Ich nehme mir vor, noch ca. zwei Stunden für die Dissertation zu arbeiten. Nichts Inhaltliches heute, nur sowas wie Textverarbeitung, Literaturverwaltung, etc. Es klappt ganz gut und ich bin einigermaßen motiviert, mich in den kommenden Tagen neu in ein Programm einzuarbeiten, dass ich zuletzt für die Mastarbeit genutzt habe.

Ich fahre nach Hause, das Radfahren tut gut und am Abend sitze ich auf dem Sofa, schaue eine begrenzt intellektuelle Fernsehsendung, häkle einen Satz Elefantenohren und denke zum Ende des Tages „Es geht wohl wieder ein wenig aufwärts.“

Sonntag, 2. August 2020

Status-Update N°3 – Unmut, Antriebslosigkeit und harte Zeiten

Die letzten Wochen waren anstrengend. Nachdem ich abrupt und frustriert meine Radtour beendet hatte, fiel es mir schwer, mich zuhause wieder in meinem Alltag einzufinden. Zumal dieser auch noch einmal durch einen Besuch in der Heimat und bei der Oma unterbrochen wurde – das waren auch wirklich schöne, abwechslungsreiche Tage und es tat gut, „alle“ nach so vielen Monaten mal wieder gesehen zu haben. Zumindest die kleine Runde, in der wir mit gutem Gewissen einen gemeinsamen Besuch gewagt haben. Die alljährliche große Feier zu Omas Geburtstag, zu der dann auch wirklich „alle“ anreisen, wird hoffentlich im nächsten Sommer wieder stattfinden können.

Im nächsten Sommer? Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen. Ein „Ende“ der Pandemie scheint derzeit nicht in Sicht – im Gegenteil, die steigenden Fallzahlen in Deutschland werden zuletzt fast täglich als „Grund zur Sorge“ betitelt. „In Zeiten von Corona“ ist medial schnell wieder zu einer inflationär verwendeten Phrase geworden. Und es heißt, „dass wohl noch eine lange Zeit vergehen wird“, bis wir wirklich wieder von „Normalität“ sprechen können.

Ich überlege mir manchmal, wie das mit einer Impfung ablaufen könnte. Wird irgendwann ein Tag X kommen, an dem die Zulassung eines Impfstoffes verkündet wird? Wie wird dieser verteilt? Können wir uns dann „einfach“ einen Arzttermin machen, uns impfen lassen und uns von jetzt auf gleich wieder so wie „vor Corona“ verhalten. Vielleicht etwas hygienebewusster, mit etwas weniger Händeschütteln und etwas mehr Händewaschen, vielleicht mit etwas mehr Abstand im Alltag – zumindest dann, wenn man Erkältungssymptome o. Ä. hat?

Diese Tag-X- bzw. von-jetzt-auf-gleich-Vorstellung erscheint mir surreal. Aber auch ein schleichender Prozess ist schwer vorstellbar. Entscheidet man dann – wenn es irgendwann keine offiziellen Richtlinien mehr gibt – einfach für sich, welche Maßnahmen, man noch für angemessen hält? Wie gut kann das im Miteinander funktionieren, wenn man unterschiedliche Ansichten hat?

Ich denke v. a. an die Arbeitssituation, insbesondere von Menschen, die wie ich einem Bürojob nachgehen. Mittlerweile habe ich - da ich ein Doppelbüro derzeit alleine besetze – die Freiheit, wann ich es möchte, wieder im Büro zu arbeiten. Das Führen von Anwesenheitslisten und das Einhalten von Abstands- und Hygieneregeln, stellt für mich kein Problem dar. Und ich bin wirklich dankbar, wieder die Möglichkeit zu haben, (räumliche) Distanz zur Arbeit zu schaffen und in einer reizarmen und technisch adäquat ausgestatteten Umgebung zu arbeiten und zumindest ab und an ein kurzes persönliches Gespräch zwischen Tür und Angel zu führen.

Trotzdem hat sich nach den ersten paar Bürotagen auch eine gewisse Ernüchterung eingestellt. Einerseits, weil es sehr ruhig ist. Weil aktuell noch Urlaubszeit ist, weil die Doppelbüros nur einfach belegt werden dürfen, aber vor allem, weil die allermeisten weiterhin von zuhause aus arbeiten. Und ein bisschen frage ich mich da: Wird die Freiheit „im Homeoffice zu arbeiten“ irgendwann auch wieder eingeschränkt? Ich würde mir das nach den Erfahrungen der letzten Monate auf jeden Fall wünschen. Einfach, weil manche Mitarbeiter*innen nur noch schwer „greifbar“ sind, ich aber teilweise die Verantwortung dafür trage, ihnen Aufgaben zu übergeben, sie einzuweisen und zu kontrollieren, inwiefern die Aufgaben erledigt wurden.

Und, weil ich es für absolut sinnvoll erachte, früher oder später wieder von Angesichts zu Angesicht zu verhandeln. Die fast ausschließlich digital stattfindende Kommunikation empfinde ich zunehmend als anstrengend – sowohl das viele Telefonieren und Videokonferenzieren als auch die viele schriftliche Kommunikation, bei der es teilweise nur um Kleinigkeiten geht, die früher einfach auf die Schnelle im direkten Gespräch geklärt wurden. Und, und das ist vielleicht noch ein stärkeres Argument: es erscheint mir ineffizienter. Die Kommunikation läuft schleppender, weniger direkt, impulsiv, emotional. Auch das kann natürlich anstrengend sein, ist aber doch auch oft zielführend und fördert den Teamgeist. Eine kontroverse Diskussion mit dem Gefühl zu beenden, wieder gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das gab es in Videokonferenzen auch, aber eher vereinzelt. Und die Möglichkeit, Ton und Bild auszuschalten und irgendwie „abwesend anwesend zu sein“ gibt es im Konferenzraum nicht.

Zurzeit arbeite ich Sachen ab, für die im normalen Betrieb nur wenig Zeit bleibt. Eine große Übersichtstabelle, die den Output der vergangenen Jahre dokumentiert. Und Leitfäden, die meinen Arbeitsbereich abdecken. Alles Dinge, die hoffentlich irgendwann mal dem Team und meiner/meinem Nachfolger/in zugutekommen werden. Um die mich aber aktuell niemand bittet und für die sich bei mir persönlich vielleicht auch nie jemand bedanken wird. Wenn ich es nicht tun würde, wäre es vielleicht irgendwann problematisch, vielleicht aber auch nicht. Ich könnte es auch sein lassen, vielleicht würde sich irgendwann jemand über mich ärgern, der Ärger würde mich aber wohl nicht mehr direkt erreichen.  

Ich vermisse Stress, Abgabefristen, klare und zeitnah zu bewältigende Aufgaben und hier und da eine direkte Rückmeldung in Form eines „Gut gemacht“. Ohne den Austausch und Feedback von Kolleg*innen schaffe ich es nur schwer, mich intrinsisch zu motivieren, Antrieb und nach getaner Arbeit ein Gefühl der Befriedigung zu generieren. Und das ist es, was fehlt und was meine trübe Stimmung nährt. Eine Strategie, dem zu entkommen, habe ich im Moment leider nicht. So endet dieses Update und der Sonntagabend mit dem vorherrschenden Gefühl der inneren Leere und Sinnlosigkeit des eigenen Tuns. Ich nehme mir aber immerhin in diesem Moment vor, einigermaßen frohen Mutes die kommende Woche anzugehen und noch ein paar Maschen zu häkeln: denn hier gibt es noch Auftraggeberinnen, die auf Rasseln und Kuscheltiere warten und ein ehrliches und positives Feedback ist mir in diesem Fall doch relativ gewiss.