Samstag. Es ist heiß geworden. Hoch Detlef bringt eine Woche Hochsommer nach Deutschland, danach soll es abkühlen, die Medien sprechen gar schon von Frühherbst. Nach meinem Stimmungshoch am Mittwoch, kam der gefühlsmäßige Frühherbst schon zum Ende der Woche. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Ob mich diese Schwankungen mein Leben lang begleiten werden?
Ich kann gar nicht sagen, was los war oder
passiert ist. Vielleicht waren es Kleinigkeiten, die mich im Laufe des Donnerstages
aus der Bahn geworfen haben. Vielleicht wäre es auch ohne diese Kleinigkeiten
so gekommen. Am Vormittag hielt ich als Videokonferenz eine Excel-Schulung für
ein paar neue Mitarbeiter*innen. Ich mache so etwas wirklich gerne, aber in
diesem Fall war es etwas ernüchternd. Ich sprach 90 Minuten gegen den
Bildschirm, trotz meiner Ermunterung, mich jederzeit zu unterbrechen, um
Rückfragen zu stellen, meldete sich im Laufe der Sitzung nur eine Teilnehmerin
zu Wort. Auch auf meine Zwischenfragen, ob soweit alles verständlich war,
erhielt ich leider keine Rückmeldungen. Den Teilnehmer*innen möchte ich das
nicht zum Vorwurf machen. Aber ich vermisse die Zeit, in der wir zu Schulungen
den großen Besprechungsraum gebucht, Laptops aufgebaut und für alle Kaffee
gekocht haben, und in denen man die Teilnehmer*innen während der Schulung
Übungen machen lassen, ihnen dabei über die Schulter schauen und ggf.
unterstützen konnte. Das werde ich bis zum Ende meiner Zeit am Institut
wahrscheinlich nicht mehr erleben.
Nach der Schulung mache ich draußen im Freien
eine lange Nachmittagspause mit einer unseren studentischen Mitarbeiter*innen,
die zum ersten Mal seit Mitte März wieder vor Ort arbeitet. Wir unterhalten uns
gut und es ist schön, wieder die Möglichkeit zu direktem Kontakt zu haben. Aber
auch hier bleibt ein gedämpftes Gefühl. Mir fehlen die Teamsitzungen, der
Austausch, die Normalität, Struktur und Planbarkeit. Im September sollen in den
Schulen wieder Aufgabenerprobungen stattfinden, normalerweise sind die
Erprobungszeiträume und alle damit verbundenen Termine bis zu 2 Jahren im
Voraus festgelegt. Wegen der Unsicherheit durch Corona und hinzukommender
Personalwechsel konnte aktuell aber kaum etwas geplant werden und ich bin
besorgt, dass dieses Versäumnis in den kommenden Wochen zum Problem wird. Zudem
fühle ich mich verantwortlich, obwohl ich nicht verantwortlich bin und habe
Angst, im Nachhinein verantwortlich gemacht zu werden.
Und dann ist da noch das Manuskript zur
dritten Teilstudie der Dissertation. Das bald eingereicht werden soll bei einer
Zeitschrift, bei der das Manuskript zur zweiten Studie abgelehnt wurde. Sorgen
diesbezüglich habe ich mehrfach geäußert, aber sie finden nur wenig Gehör. Es
muss diese Zeitschrift sein und es wird bestimmt alles anders laufen. Man hat
ja aus den Fehlern gelernt, das Thema passt besser und überhaupt: das
Manuskript ist doch schon richtig richtig super. Am Donnerstag kommt das
Manuskript von einer weiteren Durchsicht der Koautor*innen zurück und in der
Mail dazu steht sowas wie: „Für die [Zeitschrift] wird dann sicher (wieder) der
Knackpunkt sein, ob sie die theoretischen Argumente abkaufen. Ich finde sie
aber gut so und würde sie auch so lassen. Trotzdem könnte (…)“ Und trotz der
auch hier enthaltenen Anmerkung, dass das Manuskript „schon sehr gelungen“ ist
und der Tatsache, dass am Text selber nur wenige Änderungsvorschläge gemacht
wurden, lese ich nur diese drei Sätze und denke den Rest des Tages: Wenn dieses
Manuskript abgelehnt wird, hat sich das Thema Promotion für mich erledigt.
Sechs Monate dauert es bei der Zeitschrift der Wahl im Schnitt bis zur Entscheidung
über Annahme oder Ablehnung. In neun Monaten sollte die Dissertation im
Wesentlichen fertig sein. Ein zweites Mal ein Manuskript für eine andere
Zeitschrift in großen Teilen umzuschreiben und neu einzureichen, kommt da kaum
in Frage. Kein Wunder also, dass bei der oben zitierten Anmerkung Panik
aufkommt. Zumal mir diese auch wieder in Erinnerung ruft, dass das zweite
Manuskript von der zweiten Zeitschrift, bei der wir versuchen es
unterzubringen, ja auch noch nicht angenommen wurde …
Donnerstagabend bin ich schlecht drauf,
Freitag widme ich mich dann den letzten Änderungsvorschlägen im Manuskript und
hoffe, dass es bei der institutsinternen finalen Abnahme abgenommen wird. Und
Samstag? Samstag möchte ich mal wieder nicht aufstehen. Wozu auch? Es ist heiß,
mir graut es davor, nach draußen zu gehen. Ich habe nachts gut gelüftet und
gegen 5 Uhr früh alles abgedunkelt, sodass es in der Wohnung immerhin unter 30
Grad bleibt. Ich bin innerlich leer und ausgelaugt, fühle mich unwohl, möchte
heute nicht denken, sondern einfach nur schlafen. Ich bin vormittags wach,
lasse das ZDF Kinderprogramm laufen in der Gewissheit, zwischen Michel aus
Lönneberga und Pippi Langstrumpf wieder einschlafen zu werden. So kommt es dann
auch.
Als ich schließlich wieder so richtig aufwache,
ist es schon 15 Uhr. Ich bin einerseits froh, solange geschlafen und mich
darüber von Gedankenkreisen befreit zu haben, andererseits fühle mich
selbstredend schlecht angesichts meiner Inaktivität, insbesondere, wenn ich auf
diversen Kanälen erfahre, was Fremde und Freunde an solchen Tagen so alles
unternehmen. Eine Weile denke ich darüber nach, noch eine Runde Radzufahren
oder spazieren zu gehen, aber Antrieb und Lustgefühl bleiben heute gänzlich
aus. Ich verbringe also weitere Stunden mit Fernsehen, gehe schließlich noch
einkaufen und setze mich am späten Abend bei etwas kühleren Temperaturen eine Stunde aufs Dach, um zu lesen, bis es dafür zu dunkel geworden ist.
Wenn das Beste am Tag ist, dass der Tag vorbei
ist, kann irgendwas nicht ganz stimmen, denke ich. Aber so ist es an diesen
Tagen. Ich bin froh, gegen 23 Uhr ins Bett gehen zu können, mache das Licht aus,
reiße alle Fenster auf und schalte irgendein Medium ein, dass Ablenkung
verspricht, über der ich einschlafen werde. Für morgen Nachmittag sind Gewitter
angesagt. Mal sehen, was das für die Stimmung bedeutet…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen