Samstag, 8. August 2020

Depression und Hitzewelle

 Samstag. Es ist heiß geworden. Hoch Detlef bringt eine Woche Hochsommer nach Deutschland, danach soll es abkühlen, die Medien sprechen gar schon von Frühherbst. Nach meinem Stimmungshoch am Mittwoch, kam der gefühlsmäßige Frühherbst schon zum Ende der Woche. Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Ob mich diese Schwankungen mein Leben lang begleiten werden?

Ich kann gar nicht sagen, was los war oder passiert ist. Vielleicht waren es Kleinigkeiten, die mich im Laufe des Donnerstages aus der Bahn geworfen haben. Vielleicht wäre es auch ohne diese Kleinigkeiten so gekommen. Am Vormittag hielt ich als Videokonferenz eine Excel-Schulung für ein paar neue Mitarbeiter*innen. Ich mache so etwas wirklich gerne, aber in diesem Fall war es etwas ernüchternd. Ich sprach 90 Minuten gegen den Bildschirm, trotz meiner Ermunterung, mich jederzeit zu unterbrechen, um Rückfragen zu stellen, meldete sich im Laufe der Sitzung nur eine Teilnehmerin zu Wort. Auch auf meine Zwischenfragen, ob soweit alles verständlich war, erhielt ich leider keine Rückmeldungen. Den Teilnehmer*innen möchte ich das nicht zum Vorwurf machen. Aber ich vermisse die Zeit, in der wir zu Schulungen den großen Besprechungsraum gebucht, Laptops aufgebaut und für alle Kaffee gekocht haben, und in denen man die Teilnehmer*innen während der Schulung Übungen machen lassen, ihnen dabei über die Schulter schauen und ggf. unterstützen konnte. Das werde ich bis zum Ende meiner Zeit am Institut wahrscheinlich nicht mehr erleben.

Nach der Schulung mache ich draußen im Freien eine lange Nachmittagspause mit einer unseren studentischen Mitarbeiter*innen, die zum ersten Mal seit Mitte März wieder vor Ort arbeitet. Wir unterhalten uns gut und es ist schön, wieder die Möglichkeit zu direktem Kontakt zu haben. Aber auch hier bleibt ein gedämpftes Gefühl. Mir fehlen die Teamsitzungen, der Austausch, die Normalität, Struktur und Planbarkeit. Im September sollen in den Schulen wieder Aufgabenerprobungen stattfinden, normalerweise sind die Erprobungszeiträume und alle damit verbundenen Termine bis zu 2 Jahren im Voraus festgelegt. Wegen der Unsicherheit durch Corona und hinzukommender Personalwechsel konnte aktuell aber kaum etwas geplant werden und ich bin besorgt, dass dieses Versäumnis in den kommenden Wochen zum Problem wird. Zudem fühle ich mich verantwortlich, obwohl ich nicht verantwortlich bin und habe Angst, im Nachhinein verantwortlich gemacht zu werden.

Und dann ist da noch das Manuskript zur dritten Teilstudie der Dissertation. Das bald eingereicht werden soll bei einer Zeitschrift, bei der das Manuskript zur zweiten Studie abgelehnt wurde. Sorgen diesbezüglich habe ich mehrfach geäußert, aber sie finden nur wenig Gehör. Es muss diese Zeitschrift sein und es wird bestimmt alles anders laufen. Man hat ja aus den Fehlern gelernt, das Thema passt besser und überhaupt: das Manuskript ist doch schon richtig richtig super. Am Donnerstag kommt das Manuskript von einer weiteren Durchsicht der Koautor*innen zurück und in der Mail dazu steht sowas wie: „Für die [Zeitschrift] wird dann sicher (wieder) der Knackpunkt sein, ob sie die theoretischen Argumente abkaufen. Ich finde sie aber gut so und würde sie auch so lassen. Trotzdem könnte (…)“ Und trotz der auch hier enthaltenen Anmerkung, dass das Manuskript „schon sehr gelungen“ ist und der Tatsache, dass am Text selber nur wenige Änderungsvorschläge gemacht wurden, lese ich nur diese drei Sätze und denke den Rest des Tages: Wenn dieses Manuskript abgelehnt wird, hat sich das Thema Promotion für mich erledigt. Sechs Monate dauert es bei der Zeitschrift der Wahl im Schnitt bis zur Entscheidung über Annahme oder Ablehnung. In neun Monaten sollte die Dissertation im Wesentlichen fertig sein. Ein zweites Mal ein Manuskript für eine andere Zeitschrift in großen Teilen umzuschreiben und neu einzureichen, kommt da kaum in Frage. Kein Wunder also, dass bei der oben zitierten Anmerkung Panik aufkommt. Zumal mir diese auch wieder in Erinnerung ruft, dass das zweite Manuskript von der zweiten Zeitschrift, bei der wir versuchen es unterzubringen, ja auch noch nicht angenommen wurde …

Donnerstagabend bin ich schlecht drauf, Freitag widme ich mich dann den letzten Änderungsvorschlägen im Manuskript und hoffe, dass es bei der institutsinternen finalen Abnahme abgenommen wird. Und Samstag? Samstag möchte ich mal wieder nicht aufstehen. Wozu auch? Es ist heiß, mir graut es davor, nach draußen zu gehen. Ich habe nachts gut gelüftet und gegen 5 Uhr früh alles abgedunkelt, sodass es in der Wohnung immerhin unter 30 Grad bleibt. Ich bin innerlich leer und ausgelaugt, fühle mich unwohl, möchte heute nicht denken, sondern einfach nur schlafen. Ich bin vormittags wach, lasse das ZDF Kinderprogramm laufen in der Gewissheit, zwischen Michel aus Lönneberga und Pippi Langstrumpf wieder einschlafen zu werden. So kommt es dann auch.

Als ich schließlich wieder so richtig aufwache, ist es schon 15 Uhr. Ich bin einerseits froh, solange geschlafen und mich darüber von Gedankenkreisen befreit zu haben, andererseits fühle mich selbstredend schlecht angesichts meiner Inaktivität, insbesondere, wenn ich auf diversen Kanälen erfahre, was Fremde und Freunde an solchen Tagen so alles unternehmen. Eine Weile denke ich darüber nach, noch eine Runde Radzufahren oder spazieren zu gehen, aber Antrieb und Lustgefühl bleiben heute gänzlich aus. Ich verbringe also weitere Stunden mit Fernsehen, gehe schließlich noch einkaufen und setze mich am späten Abend bei etwas kühleren Temperaturen eine Stunde aufs Dach, um zu lesen, bis es dafür zu dunkel geworden ist.

Wenn das Beste am Tag ist, dass der Tag vorbei ist, kann irgendwas nicht ganz stimmen, denke ich. Aber so ist es an diesen Tagen. Ich bin froh, gegen 23 Uhr ins Bett gehen zu können, mache das Licht aus, reiße alle Fenster auf und schalte irgendein Medium ein, dass Ablenkung verspricht, über der ich einschlafen werde. Für morgen Nachmittag sind Gewitter angesagt. Mal sehen, was das für die Stimmung bedeutet…

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