Sonntag, 2. August 2020

Status-Update N°3 – Unmut, Antriebslosigkeit und harte Zeiten

Die letzten Wochen waren anstrengend. Nachdem ich abrupt und frustriert meine Radtour beendet hatte, fiel es mir schwer, mich zuhause wieder in meinem Alltag einzufinden. Zumal dieser auch noch einmal durch einen Besuch in der Heimat und bei der Oma unterbrochen wurde – das waren auch wirklich schöne, abwechslungsreiche Tage und es tat gut, „alle“ nach so vielen Monaten mal wieder gesehen zu haben. Zumindest die kleine Runde, in der wir mit gutem Gewissen einen gemeinsamen Besuch gewagt haben. Die alljährliche große Feier zu Omas Geburtstag, zu der dann auch wirklich „alle“ anreisen, wird hoffentlich im nächsten Sommer wieder stattfinden können.

Im nächsten Sommer? Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen. Ein „Ende“ der Pandemie scheint derzeit nicht in Sicht – im Gegenteil, die steigenden Fallzahlen in Deutschland werden zuletzt fast täglich als „Grund zur Sorge“ betitelt. „In Zeiten von Corona“ ist medial schnell wieder zu einer inflationär verwendeten Phrase geworden. Und es heißt, „dass wohl noch eine lange Zeit vergehen wird“, bis wir wirklich wieder von „Normalität“ sprechen können.

Ich überlege mir manchmal, wie das mit einer Impfung ablaufen könnte. Wird irgendwann ein Tag X kommen, an dem die Zulassung eines Impfstoffes verkündet wird? Wie wird dieser verteilt? Können wir uns dann „einfach“ einen Arzttermin machen, uns impfen lassen und uns von jetzt auf gleich wieder so wie „vor Corona“ verhalten. Vielleicht etwas hygienebewusster, mit etwas weniger Händeschütteln und etwas mehr Händewaschen, vielleicht mit etwas mehr Abstand im Alltag – zumindest dann, wenn man Erkältungssymptome o. Ä. hat?

Diese Tag-X- bzw. von-jetzt-auf-gleich-Vorstellung erscheint mir surreal. Aber auch ein schleichender Prozess ist schwer vorstellbar. Entscheidet man dann – wenn es irgendwann keine offiziellen Richtlinien mehr gibt – einfach für sich, welche Maßnahmen, man noch für angemessen hält? Wie gut kann das im Miteinander funktionieren, wenn man unterschiedliche Ansichten hat?

Ich denke v. a. an die Arbeitssituation, insbesondere von Menschen, die wie ich einem Bürojob nachgehen. Mittlerweile habe ich - da ich ein Doppelbüro derzeit alleine besetze – die Freiheit, wann ich es möchte, wieder im Büro zu arbeiten. Das Führen von Anwesenheitslisten und das Einhalten von Abstands- und Hygieneregeln, stellt für mich kein Problem dar. Und ich bin wirklich dankbar, wieder die Möglichkeit zu haben, (räumliche) Distanz zur Arbeit zu schaffen und in einer reizarmen und technisch adäquat ausgestatteten Umgebung zu arbeiten und zumindest ab und an ein kurzes persönliches Gespräch zwischen Tür und Angel zu führen.

Trotzdem hat sich nach den ersten paar Bürotagen auch eine gewisse Ernüchterung eingestellt. Einerseits, weil es sehr ruhig ist. Weil aktuell noch Urlaubszeit ist, weil die Doppelbüros nur einfach belegt werden dürfen, aber vor allem, weil die allermeisten weiterhin von zuhause aus arbeiten. Und ein bisschen frage ich mich da: Wird die Freiheit „im Homeoffice zu arbeiten“ irgendwann auch wieder eingeschränkt? Ich würde mir das nach den Erfahrungen der letzten Monate auf jeden Fall wünschen. Einfach, weil manche Mitarbeiter*innen nur noch schwer „greifbar“ sind, ich aber teilweise die Verantwortung dafür trage, ihnen Aufgaben zu übergeben, sie einzuweisen und zu kontrollieren, inwiefern die Aufgaben erledigt wurden.

Und, weil ich es für absolut sinnvoll erachte, früher oder später wieder von Angesichts zu Angesicht zu verhandeln. Die fast ausschließlich digital stattfindende Kommunikation empfinde ich zunehmend als anstrengend – sowohl das viele Telefonieren und Videokonferenzieren als auch die viele schriftliche Kommunikation, bei der es teilweise nur um Kleinigkeiten geht, die früher einfach auf die Schnelle im direkten Gespräch geklärt wurden. Und, und das ist vielleicht noch ein stärkeres Argument: es erscheint mir ineffizienter. Die Kommunikation läuft schleppender, weniger direkt, impulsiv, emotional. Auch das kann natürlich anstrengend sein, ist aber doch auch oft zielführend und fördert den Teamgeist. Eine kontroverse Diskussion mit dem Gefühl zu beenden, wieder gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das gab es in Videokonferenzen auch, aber eher vereinzelt. Und die Möglichkeit, Ton und Bild auszuschalten und irgendwie „abwesend anwesend zu sein“ gibt es im Konferenzraum nicht.

Zurzeit arbeite ich Sachen ab, für die im normalen Betrieb nur wenig Zeit bleibt. Eine große Übersichtstabelle, die den Output der vergangenen Jahre dokumentiert. Und Leitfäden, die meinen Arbeitsbereich abdecken. Alles Dinge, die hoffentlich irgendwann mal dem Team und meiner/meinem Nachfolger/in zugutekommen werden. Um die mich aber aktuell niemand bittet und für die sich bei mir persönlich vielleicht auch nie jemand bedanken wird. Wenn ich es nicht tun würde, wäre es vielleicht irgendwann problematisch, vielleicht aber auch nicht. Ich könnte es auch sein lassen, vielleicht würde sich irgendwann jemand über mich ärgern, der Ärger würde mich aber wohl nicht mehr direkt erreichen.  

Ich vermisse Stress, Abgabefristen, klare und zeitnah zu bewältigende Aufgaben und hier und da eine direkte Rückmeldung in Form eines „Gut gemacht“. Ohne den Austausch und Feedback von Kolleg*innen schaffe ich es nur schwer, mich intrinsisch zu motivieren, Antrieb und nach getaner Arbeit ein Gefühl der Befriedigung zu generieren. Und das ist es, was fehlt und was meine trübe Stimmung nährt. Eine Strategie, dem zu entkommen, habe ich im Moment leider nicht. So endet dieses Update und der Sonntagabend mit dem vorherrschenden Gefühl der inneren Leere und Sinnlosigkeit des eigenen Tuns. Ich nehme mir aber immerhin in diesem Moment vor, einigermaßen frohen Mutes die kommende Woche anzugehen und noch ein paar Maschen zu häkeln: denn hier gibt es noch Auftraggeberinnen, die auf Rasseln und Kuscheltiere warten und ein ehrliches und positives Feedback ist mir in diesem Fall doch relativ gewiss.

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