Sonntag, 20. September 2020

Aufwärtstrend?

Nach dem Familienbesuch verging eine weitere Woche mit Hochs und Tiefs. Je nach Verfassung, Tageszeit, Laune und Wetter bin ich mal voller Zuversicht und mal völlig verzweifelt, aber immer in einem wackeligen Stadium. Ich rede mir gut zu mit „Am Ende wird alles gut – wenn es noch nicht gut, ist es noch nicht das Ende.“ und frage mich kurz darauf doch wieder „Wann ist der Mist endlich zu Ende?“

Das Gute an Stimmungsschwankungen ist, dass es nach dem „Abwärts“ immer wieder „Aufwärts“ geht. Im Laufe der Woche stelle ich zum x-ten Mal mein Manuskript fertig und bekomme endlich auch das „Okay“ von den KoautorInnen. Es ist ein gutes Gefühl, dieses Projekt endlich abschließen zu können – jetzt heißt es: Einreichen und auf die Gutachten warten. Das kann dauern. Ich stelle mich auf sechs Monate ein, die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei der gewählten Zeitschrift. Sie wird meine Geduld ein weiteres Mal ganz schön herausfordern.

Trotzdem fühle ich mich nach dem Fertigstellen des Manuskriptes erstmal befreit und erleichtert. In Bezug auf die Arbeit heißt es jetzt: Neu sortieren, neue Aufgaben und einen neuen Fokus wählen, Teilschritte planen, neu strukturieren. Nicht ganz einfach, aber machbar. Mittwoch und Donnerstag nehme ich dann noch teilweise Teil an meiner ersten „Online-Tagung“. Delegationen aus der Slowakei und Estland interessieren sich für das Institut und seine Machenschaften in Sachen Bildungsmonitoring und ich habe mich mehr oder weniger freiwillig bereit erklärt, meinen Projektbereich vorzustellen. Der Vortrag läuft gut, die Anonymität der Videokonferenz ist trotzdem eher ernüchternd und ich frage mich, wann wohl wieder die ersten größeren Präsenzveranstaltungen stattfinden werden können. Die nun doch wieder deutlicher steigenden Fallzahlen machen mir da leider wenig Hoffnung und die allgemeine Sorge über zu viel Sorglosigkeit wächst angesichts der Neuigkeit, dass ausgerechnet Würzburg in ganz Deutschland zeitweise am stärksten betroffen ist.

Abschalten kann ich in diesen Tagen beim Radfahren und Tour de France gucken. Letzteres war schon lange nicht mehr so spannend wie in diesem Jahr und zu ersterem motiviert mich mein sportlicher Ehrgeiz und die Stadtradeln-Aktion. Am Donnerstag fahre ich 40 km in 1:27 h bzw. in einem 27 km/h Schnitt – absolute Bestzeit! Und ich lese endlich wieder regelmäßig, v. a. am Abend, manchmal auch morgens. Eines der beiden Bücher, die ich zuletzt gekauft habe, habe ich bereits durchgelesen, das andere – Stand heute – fast zur Hälfte.

Am Samstag findet das Kennenlerngespräch für die Bildungspatenschaft statt. Regulär hätte ich deutlich länger warten müssen, aber es ist spontan ein Termin freigeworden, den ich mir gut einrichten konnte. Nach dem Gespräch bin ich nervös: Bin ich der Aufgabe wirklich gewachsen? Schaffe ich es, den Anforderungen gerecht zu werden? Einerseits habe ich wirklich Lust, mal wieder Nachhilfe zu geben. Und ich bin gespannt darauf, wie das in diesem ehrenamtlichen Setting sein wird, und wie es sich von meiner bisherigen Nachhilfe-Erfahrung, die fast ausschließlich in sozial privilegierten Familien und irgendwelchen Villen am Wannsee stattgefunden hat, unterscheidet. Andererseits habe ich großen Respekt davor und frage mich, ob ich es gut hinbekomme, dem Kind bzw. der Familie auf Augenhöhe zu begegnen und meine Berührungsängste abzulegen.

Im Anschluss gibt es ein Eis in meiner Lieblingseisdiele und einen ausgiebigen Spaziergang mit meinem Onkel. Wie sind schon ganz schön k.o. als wir feststellen, dass wir noch ein ordentliches Stück zurück zur Wohnung laufen müssen, und amüsieren uns herrlich dabei, alle fünf Minuten „Ist es noch weit?“ zu stöhnen und über diverse alternative Fortbewegungsmittel nachzudenken, bis wir schließlich wieder an seiner Wohnung ankommen. (Zu Fuß natürlich!)

Sonntag bleibe ich zunächst lange liegen und mache am späten Nachmittag dann eine weitere lange Radtour. Es ist warm, die Sonne strahlt, aber die gelben Blätter, die durch die Luft wirbeln oder bereits am Boden liegen, lassen keine Zweifel daran, dass der Herbst angebrochen ist. Ich bin gespannt, was er bringen wird. Heftige Herbststürme wie 2017, als in Berlin reihenweise die Bäume umknickten? Ein goldener Oktober wie 2018, als es Mitte den Monats noch warm genug zum Eis essen in kurzen Hosen war? Oder so ein „Zwischending“ wie letztes Jahr?

In Bezug auf meine wackelige Gefühlslage überwiegt zum Ende der Woche zumindest die Zuversicht und ich denke, dass ich mit allen drei Szenarien schon irgendwie klar kommen werde. „Es kommt wie’s kommt.“ und „Es muss ja.“ sage ich mir, putze die Zähne und gehe ins Bett, um noch ein bisschen zu lesen.

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