Samstag, 9. April 2016

"Hinter den Wolken scheint immer die Sonne"

sagt man. Ein Postkartenspruch, den ich, entsprechend Wetter- und/oder Gefühlslage regelmäßig im Sinn habe. „Das Wetter charakterisiert den Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt“ erklärt Wikipedia, und sei damit „das augenblickliche Bild eines Vorgangs“, nämlich dem des Wettergeschehens. „Der allgemeine Charakter des Wetters über einen längeren Zeitraum betrachtet“ wird als Witterung bezeichnet.

Gefühle funktionieren ähnlich, finde ich, und wage es die Definition zu analogisieren. „Das Gefühl charakterisiert den Zustand einer Person an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt“ als „augenblickliches Bild seines Daseins“. Das Wetter als „Sein“, die Witterung als „Haben“ und das Wettergeschehen als „Werden“ und schon steht der Vergleich.

Und der Zusammenhang geht sogar noch ein Stück tiefer. Als „wetterfühlig“ bezeichnet man Menschen, die überdurchschnittlich empfindlich gegenüber Witterungserscheinungen sind. Symptome können neben körperlichen, wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen, auch seelische Leiden sein. Gleichermaßen wird dem ganzen eine umgekehrte Kausalität unterstellt: Forscher behaupten, dass psychisch Beeinträchtige stärker auf Witterungsbedingungen reagieren als gesunde Menschen. Wenn das Wetter auf die Psyche schlägt und die angeknackste Psyche übersensibel auf das Wetter reagiert, ist der Teufelskreis perfekt. Ursache wird zu Wirkung, Wirkung zu Ursache und einer Verstärkung der Symptome steht nichts mehr im Wege. Am Ende weiß keiner mehr was zuerst da war: das Wetter oder die miese Stimmung?

Ich weiß nicht recht, ob ich an Wetterfühligkeit glaube. Medizinische Studien, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Wetter und Wohlbefinden nachweisen, gibt es laut Wikipedia nicht. Und ist es nicht bei jeglichen Umständen so, dass sie die Stimmung des Einen mehr und die des Anderen weniger beeinflussen?

Mich selber würde ich jedenfalls nicht als wetterfühlig bezeichnen. Momente, in denen mir das Wetter auf die Stimmung schlägt, kenne ich gut und das ist ganz unabhängig von der Ausprägung möglich. Aber ich reagiere nicht hochsensibel, sondern vielmehr äußerst wohlwollend und sehe das als Schlüssel zum Erfolg. Wenn Menschen sich über das Wetter aufregen, denke ich mir oft, es gäbe doch so viel wichtigeres in das man seine Energie stecken könnte. Ich versuche das Wetter anzunehmen wie es ist und das zunächst wertfrei. Ich kann ohnehin keinen Einfluss darauf nehmen (außer durch einen Ortswechsel, der in den seltensten Fällen spontan in ausreichendem Ausmaß machbar ist).

Die Steigerung der wertfreien Wahrnehmung ist die positive Wahrnehmung. Hier stellt mich das Wetter vor eine größere Herausforderung. Vor allem an die sintflutartigen Regenfälle, wie ich sie in dieser Regelmäßigkeit bislang an keinem Wohnort erlebt habe, musste ich mich erstmal gewöhnen. Geholfen hat die Anschaffung eines Regenponchos - meine „Investition des Monats“ im Januar. Wer nicht glaubt, dass es eine wahre Freude sein kann mit so einem Teil durch strömenden Regen zu radeln, der möge es nur einmal selbst ausprobieren. Es lohnt sich, man bleibt erstaunlich trocken und als es nach der Anschaffung das erste mal wieder in Strömen regnete, habe ich mich darüber gefreut, der Welt endlich den neuen Poncho präsentieren zu können.


Das Frühlingswetter macht es mir leicht, es positiv zu sehen. Wie wunderbar sind die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, die ersten Tage, an denen ich in der Mittagspause ohne Jacke rausgehen konnte, die ersten summenden Bienen, blühenden Sträucher, zwitschernden Vögel, … Genauso gehört für mich auch ein bedeckter, wolkenverhangener Himmel dazu. Die Natur erwacht und das nicht von heute auf morgen. So wie ich morgens durchaus mal etwas länger brauche, gönne ich auch dem Wetter seine Zeit, sich auf die wärmere Hälfte des Jahres einzustellen. Und Frühlingsregen? Wer einmal bewusst den Geruch bei leichtem Nieselregen oder nach einem Regenschauer an Frühlingstagen wahrgenommen hat, wird auch diesen nicht mehr missen mögen. So haben mich weder die Regentropfen auf der Nase bei der Feierabend-Jogging-Runde am Donnerstag, noch der Schauer gestern Abend, als ich mit dem Rad nach der Arbeit unterwegs war, um noch ein paar Besorgungen zu machen, gestört - ganz im Gegenteil.

Der Anblick danach: das perfekte Bild zu „Hinter den Wolken scheint immer die Sonne“. Dichte, dicke, dunkle Wolken am Himmel, aber irgendwo kam sie durch und hat das Haus gegenüber Scheinwerfer-artig in Szene gesetzt. Ist es mit unseren Gefühlen nicht oft genauso? Selbst Tage, an denen ich mich niedergeschlagen, betrübt, vernebelt, unruhig (man beachte Parallele der Begrifflichkeiten zum Wetter) oder frustriert, traurig, wütend fühle, beinhalten Momente, die mir das sprichwörtliche Lächeln ins Gesicht schauen, und sind sie noch so kurz und unscheinbar. Diese bewusst wahrzunehmen, ist eine tägliche Übung.

Wer anfangen möchte zu üben, kann es sich erleichtern, indem er über Dinge nachdenkt, die ihm unabhängig von Wetter- und Gefühlslage gut tun. Sich in ein schönes Café setzen und ein Heiß- oder Kaltgetränk (je nach Wetterlage ;-)) zu genießen, kann eine Möglichkeit sein. Ist es draußen trist und grau, macht man es sich drinnen gemütlich und beobachtet, wie sich die Menschen draußen entnervt durch den Wind und Regen kämpfen. Haben die Sonnenstrahlen Kraft genug, Psyche und Körper zu erwärmen, sitzt man draußen und ist mitten drin im Geschehen.


Heute steht eine Radtour auf meinem Programm. Die Sonne scheint und den Samstagskaffee (mit dem ich mich zum virtuellen Kaffeeklatsch und zum Samstagsplausch geselle), den ich mir im Anschluss oder währenddessen gönnen werde, werde ich vielleicht sogar mit Blick in den freien Himmel genießen können. Mal sehen, wie beständig die Wetterlage heute ist. Übel nehmen, werde ich ihr einen Umschwung nicht: die kenne ich doch nur zu gut von meiner eigenen Gefühlslage.

2 Kommentare:

  1. Herzlich Willkommen in der Plauschrunde.
    Dauerregen und ohne solch einen Poncho dann Radfahren...geht gar nicht. HAbe ich letztens auch versucht. Allerdings hat es dann auch noch gehagelt. Wer will das schon.
    Ich glaube an Wetterfühligkeit. Ich lebe sie auch richtig herrlich aus. Wenn ich nicht gerade arbeiten muss. Da muss ich wohl freundlich bleiben.
    Liebe Grüße aus Berlin,
    Andrea

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo Andrea, vielen Dank für das Willkommen heißen! Wetterfühligkeit herrlich ausleben - das klingt amüsant :-D Viele Grüße in meine Heimatstadt Berlin, Sarah

      Löschen