Dienstag, 18. November 2014

Drei Dreieckstücher oder die Qual der Wahl

Wie viele Entscheidungen trifft ein Mensch am Tag? Aufstehen oder Liegenbleiben? Buntes oder schwarzes T-Shirt? Haare waschen oder Mütze aufsetzen? Es sind tausende. Viele laufen automatisiert ab, z.B. beim Autofahren einen Gang höher zu schalten, andere wiederum treffen wir vollkommen bewusst. Aber es ist ein Trugschluss „bewusst“ mit „rational“ gleichzusetzen.

Wer sich jetzt ertappt fühlt, muss sich jedoch nicht schämen - jahrhundertelang glaubten Philosophen und andere Wissenschaftler an die Vorherrschaft der Vernunft. Dass Emotionen entscheidende Voraussetzung für den Prozess einer Entscheidungsfindung darstellen, wurde erst im 20. Jahrhundert und ziemlich unerwartet entdeckt und im Rahmen moderner Neurowissenschaften bestätigt. (Wer näheres erfahren möchte, dem lege ich eine Suchmaschine seiner Wahl, die Begriffe António Damásio, Elliot und Descartes Irrtum oder das Heft Geo Wissen: Entscheidung und Intuition: Was will ich? Das Geheimnis der guten Wahl nahe.)

Ohne Gefühle also keine Entscheidung. Und ist nicht jede Entscheidung eine Art kreativer Prozess? Indem ich mich für eine Tätigkeit entscheide, gestalte ich meinen Tagesablauf. Die Entscheidung für ein bestimmtes Kleidungsstück, gestaltet meine Wirkung nach außen.

Ich habe momentan das Gefühl entscheiden zu müssen, wie ich mein Leben gestalte. Mir fehlt aber das Gefühl dafür, was ich eigentlich will. Ich weiß nicht mehr, was mir eigentlich noch erstrebenswert erscheint. Ein nennenswerter Grund dafür ist wohl, dass das Versetzen des Körpers in einen Hungermodus ein absolut wirksames Instrument dafür ist, einen beachtlichen Anteil eigener Emotion einzudämmen. Plötzlich erscheint einem das Meiste belanglos und gleichgültig, man fühlt nicht mehr viel, und auch diese Tatsache ist biochemisch bestätigt und evolutionsbiologisch erklärbar. Der (ver)hungernde Mensch sollte sich primär um Nahrungsbeschaffung kümmern, Raum für emotionales Erleben ist erst wieder sinnvoll, wenn zunächst mal das physische Überleben gesichert ist.

Für den Neandertaler echt praktisch - für mich ein Teufelskreis. Überfordert von der Menge an scheinbar zu treffenden Entscheidungen, jede einzelne ihrerseits verbunden mit einer schier unfassbaren Anzahl an Möglichkeiten, mit dem Gefühl überhaupt nicht in der Lage zu sein, zu erkennen, was ich will oder auch den Sorgen davor „falsch“ zu entscheiden, vielleicht bedingt durch die Erkenntnis teilweise schon falsch entschieden zu haben, entschied ich mich für das wohl am wenigsten sinnvollste. Zu verhindern Gefühlen ihr Dasein zu gewähren. Und das wiederum hindert mich nun entscheidend daran zu entscheiden, wie es mit mir weitergehen soll.


Auch die Auswahl in Woll- oder Stoffläden scheint teilweise unermesslich. Diese Erfahrung mache ich gerade mit meiner Mutter, die in einem Häkelbuch ein Dreieckstuch entdeckt hat, welches sie sich nun zu Weihnachten wünscht, sich aber bislang nicht richtig für eine Garn- und Farbvariante entscheiden kann. Um das Muster zu verstehen, habe ich probehalber ein kleines Tuch mit einem günstigen Garn gehäkelt (das im Buch abgebildete ist fünf mal so groß!). Und weil es mir recht gut gefällt, habe ich beschlossen selber auch ein größeres Dreieckstuch mit meinem Geschmack eher entsprechendem Farbverlauf zu häkeln. Mich für ein Garn zu entscheiden, fiel mir glücklicherweise einfacher als meiner Mutter und mit dem Tuch habe ich auch schon begonnen. Vielleicht war die emotionale Komponente in diesem Fall ja nicht so wichtig :-)


Verlinkt bei: Creadienstag & Häkelliebe

7 Kommentare:

  1. Das Tuch ist wunderschön, Muster und Garn! Das mit den Entscheidungen... ja, schwierig. Mir als gläubigem Menschen hilft der Gedanke, dass ich geführt werde. Dass es eine Macht gibt, die mich auf einem für mich guten Weg leitet. Aber natürlich ist der Entscheidungsprozess begleitet von Emotionen, was zieht mich an, was eher nicht. Daher ist das Zulassen von Emotionen ebenso notwendig wie schwierig... Ich wünsche dir, dass du für dich einen guten Weg findest! Alles Liebe, nina

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    1. Da hast du Recht, eine gewisse Portion Zutrauen, dass einem Gott dabei hilft den passenden Weg zu finden, habe ich eigentlich auch! Trotzdem fühlt es sich im Moment mehr wie herumirren an, aber ich versuche mir zu sagen, dass auch das irgendwie seinen Sinn und seine Berechtigung hat :-)

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  2. Hab was lustiges für dich im Netz gefunden: http://amateurkochfotos.tumblr.com/

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    1. hallo Felix,
      seit einer halben Stunde zerbrösle ich mich, ich lache Tränen und muss mich am Schreibtisch festhalten, sonst falle ich vom Sessel. Schon lange nicht mehr so gelacht.
      Danke für den Link

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    2. Zu mehr Appetit verhilft das aber nicht gerade! ;-)

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  3. So ich habe mich gerade durch deinen ganzen! Blog gelesen und ich finde deine Art zu schreiben schön. ich habe also gleich ein Abo abgeschlossen
    lg dodo

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  4. Danke für das Lob und das Abo, da freu ich mich sehr! Bei der Gestaltung werde ich sicherlich im Laufe der Zeit noch einiges anpassen und ändern - gar nicht so einfach das Ganze! Den Feedback Mittwoch auf deinem und anderen Blogs zu verfolgen, ist auch in dieser Hinsicht sehr spannend und hilfreich :-)
    LG, Sarah

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