Samstag, 28. März 2020

Isolation, Tag 10: Besprechungen

„Und was machst du so?“ fragen wir uns und berichten in Podcasts, Blogartikeln, Youtube-Vlogs, Instagram-Stories, … Und in vielen Berichten geht es um die „neue“ Art zu arbeiten. Mit welchen Programmen lassen sich Lehrvideos aufnehmen, welche Programme eignen sich am besten für Video-Konferenzen mit zwei, drei, vier oder ganz vielen Personen, wann ist es empfehlenswerter, einfach zu telefonieren, wie greift man Remote auf die Büro-Rechner zu und zu welcher Tageszeit ist der VPN-Tunnel eigentlich mal nicht überlastet? (5 Uhr nachts klappt‘s wunderbar – ich habe getestet.)

Einiges an dieser neuen Arbeitsweise kommt mir entgegen. Ich mag keine Besprechungen. Das ist jetzt natürlich viel zu allgemein ausgedrückt. Es gibt nicht selten auch Besprechungen, in die ich gerne gehe und/oder aus denen ich mit einem guten Gefühl herausgehe. Aber in den meisten Fällen ist das nicht der Fall. Oft ist der Grund dafür, dass ich keinen Sinn darin sehe, über die vermeintlich zu besprechenden Dinge zu sprechen. Das wiederum kann darauf zurückgehen, dass ich keine Notwendigkeit darin sehe, über die aus Sicht anderer zu besprechenden Dinge zu sprechen. Es kann aber auch daran liegen, dass ich aufgrund der Erfahrung diverser ergebnisloser Besprechungen (besser bekannt als „Reden um den heißen Brei“) oftmals nicht davon ausgehe, dass eine anberaumte Besprechung zielführend sein wird. Ein dritter möglicher Grund liegt darin, dass es mir oft einfach zu lange dauert, mir verschiedene Meinungen zu verschiedenen Themen anzuhören, von denen ein nennenswerter Teil gefühlt nur geäußert wird, weil die sich äußernden Personen das Bedürfnis haben oder sich verpflichtet fühlen, sich zu äußern – ungeachtet des inhaltlichen Gehalts ihrer Äußerungen (das berühmte „Senf dazugeben“).

Der vierte und letzte Grund betrifft nur Besprechungen, die sich explizit um meine eigenen Forschungsarbeiten und meine Manuskripte drehen. Ich finde es mühsam, meine eigenen Gedanken zu erklären und es fällt mir schwer, sie den Urteilen anderer auszusetzen. Ich habe gelernt, dass diese Besprechungen richtig und wichtig sind. Dass Wissenschaft von Kooperation und Kollaboration lebt. Dass Kommunikation und Konfrontation mich voran bringen können und Kritik konstruktiv sein kann. Ich weiß, dass ich Fehler mache, auf die andere aufmerksam werden. Und dass jede/r Beteiligte immer auch eine neue Sicht auf die Dinge mit einbringt.

Dennoch, da bin ich ganz ehrlich, finde ich diese Besprechungen unglaublich mühsam. Ich bin immer kritisch mit dem, was ich tue, aber diese kritische Haltung kann Rahmen einer Besprechung schnell in ein Gefühl vollkommender Unvollkommenheit und Unzufriedenheit kippen. Frustration stellt sich insbesondere dann ein, wenn mir vermittelt wird, mein Werk sei (noch) nicht gut, mir aber nicht vermittelt werden kann, warum. Geschweige denn, wie ich das ändern kann.

In einem Podcast-Interview* erklärte Sabine Rückert, Mitglied der Chefredaktion der Wochenzeitung Die Zeit, was aus ihrer Sicht einen guten Redigier-Prozess ausmacht und, was dabei nicht zielführend ist. Ein großes Problem besteht aus ihrer Sicht, wenn „er [der Autor] das Gefühl hat, jetzt macht sich einer auf meine Kosten wichtig. (…) dass hier sinnlose Maßnahmen, an seinem Text erfolgen.“ Ist das der Fall, so Rückert, „dann hast du den Autor verloren.“ Denn: „Das ist eine besonders blöde Art, mit Autoren umzugehen.“ Leider habe ich eine solche Form des Redigierens im Laufe der letzten Jahre zur Genüge erlebt. Und das übliche „Lass uns nochmal drüber sprechen.“ war dabei nur selten hilfreich.

Heute stand mal wieder eine Besprechung über meine Forschungsarbeit bzw. ein zugehöriges Manuskript an – in Zeiten der Isolation wurde diese natürlich als Video-Konferenz abgehalten. Und nach den ersten Erfahrungen mit Video-Konferenzen muss ich gestehen, dass meine Besprechungsaversion dabei tatsächlich gesunken ist. Video-Konferenzen scheinen mir bis dato effizienter als die konventionelle Form der physischen Zusammenkunft. Man spart sich das übliche Geplänkel, man redet weniger „um den heißen Brei“, man vermeidet es, nur mal eben „seinen Senf dazuzugeben“, man lässt sich ausreden und beschränkt sich auf das Nötigste. Diese Erfahrung ist sicher nicht verallgemeinerbar, aber meine ersten Video-Konferenzen, inklusive der gestrigen, liefen erstaunlich gut. Wir kamen schnell auf den Punkt, jeder brachte gute Gedanken ein und anders als üblich, konnte die Besprechung ein vorheriges Gefühl der Frustration aufgrund von eigener Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeit in Motivation und Zuversicht verwandeln. Mit einer klaren und realistischen Zielvereinbarung haben wir uns für eine nächste Besprechung Ende nächster Woche verabredet. Erstaunt über mich selber, notiere ich mir heute: Ich freue mich darauf und glaube, dass sie mir helfen wird, voranzukommen.

* https://mitvergnuegen.com/hotelmatze/sabine-rueckert/

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