Montag, 6. April 2020

Isolation, Tag 18 und 19: Wochenende wie immer

In den vergangenen drei Wochen hat sich so vieles verändert, dass schnell daher gesagt ist, es sei „nichts mehr so wie es mal war.“ Glücklicherweise trifft das natürlich nicht zu. Es erscheint mir wichtig, mir all die Veränderungen dieser Zeit bewusst zu machen, um mich auf sie einlassen zu können, einen guten Umgang mit ihnen zu finden, mich darüber mit anderen auszutauschen und mir zu sagen, dass es nicht „für immer“ so bleiben wird. Aber manchmal ist es auch ganz beruhigend, mir bewusst zu machen, dass so einiges gerade trotz aller widrigen Umstände eigentlich noch wie immer ist.

So fühlte sich das Wochenende für mich fast normal an. Ich bin insgesamt viel alleine (unterwegs) und nur alle zwei bis drei Wochen mal samstags oder sonntags verabredet. Ansonsten bestehen meine Sams- und Sonntage aus: Lange schlafen bzw. im Bett liegen bleiben, Laufen oder Radfahren, Aufräumen und Putzen, ein bisschen an der Doktorarbeit herumdoktorn, Kochen und Essen, am Samstag ggf. vorher Einkaufen, auf dem Sofa sitzen, Dokumentation ansehen, Häkeln, Ausruhen. All das kann ich auch unter Berücksichtigung der aktuellen Regelungen zur Kontaktsperre.

Samstag entscheide ich mich für eine Laufrunde. Gegen Mittag geht es los, 10 km durch den nahegelegenen Park und um den See, meine übliche Runde, durchschnittliches Tempo. An die körperliche Belastungsgrenze gehe ich heute nicht, an der seelischen befinde ich mich doch derzeit schon oft genug (wobei ich mich die letzten Tage auch seelisch durchaus erfreulich stabil fühle). Bei sonnigem Wetter sind noch einige andere unterwegs, aber es ist gut möglich, Abstand zu halten. Die meisten anderen Jogger überhole ich trotz des durchschnittlichen Tempos, nur zwei ambitionierte Jugendliche sind schneller als ich. Am Ende der Runde laufe ich noch über den Wochenmarkt in meinem Viertel, für eine Freundin soll ich dort frisch gepresstes Leinöl besorgen. Der Markt ist zwar aufgebaut, der Verkäufer der Ölmühle ist aber leider nicht vor Ort. Gedanklich notiere ich mir, im Laufe der Woche anzurufen und nachzufragen, auf welchen Märkten zurzeit noch verkauft wird.

Nach dem Misserfolg am Markt lockt mich Brötchenduft in den Bioladen gegenüber. Normalerweise backe ich zuhause fast ausschließlich selber Brot bzw. Brötchen, doch dafür fehlt mir im Moment leider die Hefe. Zu viele andere scheinen durch Corona von jetzt auf gleich zu begeisterten Hobby-Bäckern mutiert zu sein und die Hefe, sowohl frisch als auch trocken, ist großräumig ausverkauft. Die Brötchen im Bioladen sind v. a. im Vergleich zum Selberbacken teuer – ein Luxus, den ich mir eher selten gönne. Aber heute darf es mal wieder sein: Zweimal Dinkel-Sonnenblume, zwei Vollkorn-Krusti, ein Vinschgerl. Ich freue mich, dass trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit noch alle meine Lieblingssorten im Angebot sind.

Zurück zu Hause esse ich erstmal was, trödel ein bisschen am Computer herum und telefoniere dann eine ganze Weile mit einer Freundin. Schnell wird es Abend, Zeit zum Kochen, Zeit zum Nachrichten gucken, Zeit zum Häkeln, Zeit, ins Bett zu gehen. Was für andere langweilig klingen mag, war für mich ein „normaler“, angenehmer Samstag.

Der Sonntag beginnt ähnlich: Lange schlafen, noch länger lieben bleiben, gegen Mittag zu einer sportlichen Aktivität aufraffen. Es ist noch sonniger und wärmer als gestern, der Wind hat auch etwas nachgelassen und ich entscheide mich, die Frischluftzufuhr zu steigern und eine längere Rennradtour zu machen. Über Teltow und Stahnsdorf fahre ich raus ins Brandenburger Umland, passiere Ortschaften wie Güterfelde, Philippsthal, Saarmund und Michendorf. Hier steht die Welt gefühlt still und das nicht erst seit Corona. Hier stehen Gartenzwerge vor den Häusern und Hühnerställe dahinter. Und an der Straße steht hier und da ein Tischchen mit Marmeladen, Eiern, Kartoffeln oder anderem Gemüse. Daneben eine „Kasse des Vertrauens“. Hier glaubt man noch an das Gute im Menschen.

Landschaftlich begeistert mich das Brandenburger Umland nur wenig und auch die Radwegeinfrastruktur ist mehr als ausbaufähig bzw. gar nicht erst vorhanden. Aber eine gewisse Friedlichkeit strahlt die Gegend trotzdem aus, das muss ich ihr lassen. Am Schwielowsee entlang fahre ich über Caputh und Potsdam zurück bis Wannsee. Aufgrund von akuter Müdigkeit und Unlust auf die schon so oft gefahrenen letzten Kilometer nach Hause, schummle ich ein wenig und nehme für drei Stationen die S-Bahn. Zuhause angekommen verbuche ich trotzdem 65 km und denke, „das war genug“. Die Saison hat ja grade erst angefangen.

Zuhause koche ich mir einen Vanillepudding, kurze Zeit später gibt es dann auch schon Abendessen. Währenddessen chatte ich mit Freunden, tippe ein paar Sätze in mein Manuskript und schaue die Nachrichten und einige Youtube-Videos – die ersten auf dem Sofa, die restlichen im Bett. Am Ende war es für mich also wirklich ein ziemlich gewöhnliches Wochenende, an dem meine Stimmung im Großen und Ganzen mit den Worten „gut soweit“ beschrieben werden kann. Laufen und Radfahren leisten da wichtige Beiträge. Wie hieß es noch gleich in einem der unzähligen Podcasts, die ich in den letzten Tagen und Wochen gehört habt?

„Ich unterstütze die Initiativen der Fitness-Studios, die ihre Trainer jetzt vor die Kamera stellen und Online-Kurse und Videos anbieten. Aber mein Appell in Sorge vor den zu erwartenden Depressionen und Lagerkollern und sonstigen Angstzuständen ist: Es ist wirklich wichtig zu Laufen und Radzufahren! Weil das tatsächlich nachweislich [gegen Depressionen wirkt]. Ich sage das nochmal, weil manche glauben, dass sie mit ihrem Homeoffice-Bürostuhlyoga durchkommen: Man muss wirklich raus und Schritte machen.“

In diesem Sinne plane ich gedanklich noch die nächsten Touren und Läufe und bin gespannt, was die nächste Woche bringen wird.

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